Sanierung
Ein Erfolgsprojekt der lokalen Agenda 21
Der Erwerb
Die Sanierungsgeschichte der Mittleren Mühle begann im Jahre 1991. Die Bauträgergesellschaft bwl hatte das rund 3.600 m² große Anwesen der Mittleren Mühle, mit den landwirtschaftlichen Gebäuden sowie der Singoldinsel, von den Erben der im Jahre 1982 verstorbenen, letzten Mühlenbesitzerin Anna Grotz erworben. Absicht war, darauf im Zuge des Baubooms Anfang der 90er Jahre zwei Eigentumswohnanlagen zu errichten. Die Verwirklichung dieser Planung hätte unweigerlich zum Abbruch der Mittleren Mühle geführt.
Dies rief den Heimatverein d´Hochsträßler auf den Plan. Er setzte sich in einem eindringlichen Appell an die Stadt für den Erhalt der Mittleren Mühle ein. In Verhandlungen mit der bwl GmbH konnte in der Folge erreicht werden, dass die Firma der Stadt die Grundstücksteilfläche, auf der das Mühlengebäude steht, sowie die Singoldinsel zum Kauf anbot. Auch in dieser Situation setzten sich die „Hochsträßler", unterstützt durch 227 Unterschriften, schriftlich für den Grunderwerb ein.
Am 02.07.1991 entschied der Stadtrat, mit der bwl GmbH zunächst eine Kaufoption für zwei Monate zu vereinbaren. Hintergrund dafür war, mit einem Verwandten der Anna Grotz, der sich mittlerweile ebenfalls für die Mühle interessierte, über einen Weiterverkauf verhandeln zu können. Diese Verhandlungen zerschlugen sich jedoch. Am 01.10.1991 schließlich beschloss der Stadtrat in einer denkwürdigen Abstimmung mit knappester Mehrheit, die vereinbarte Kaufoption auszuüben. Die Mühle war damit vor dem Abbruch bewahrt!
Der Weg zur Sanierung
Der schon bei der Erwerbsentscheidung deutlich gewordene Umstand, dass das Projekt zunächst umstritten war, prägte in der Folge auch die Überlegungen über das weitere Schicksal der Mittleren Mühle. Sie konzentrierten sich mangels Nutzungskonzept anfangs auf den Ausbau des Wohnteils sowie die Substanzsicherung. Konkrete Maßnahmen wurden letztlich jedoch immer wieder verschoben, weil auch im Verkauf der Mühle ein Lösungsansatz zur Zukunftssicherung gesehen wurde. Verhandlungen mit Interessenten scheiterten aber jeweils an den strengen Auflagen der Stadt, bei denen sich vor allem der Erhalt des das Ortsbild prägenden Baukörpers, sowie der technischen Mühleneinrichtung, als größte Hindernisse herausstellten.
Schon damals, konkret in den Jahren 1992 bis 1995 wurde von der Stadtverwaltung der Vorstoß unternommen, über eine Einbeziehung des ehrenamtlichen Engagements ein Sanierungskonzept zu entwickeln. Der Heimatverein d´Hochsträßler, mit dem darüber konkret Gespräche geführt wurden, sah sich jedoch angesichts der Größenordnung eines solchen Projekts damals noch nicht in der Lage, so viel Verantwortung zu schultern.
Der „Durchbruch"
Diesen ehrenamtlichen Beitrag leisten wollten schließlich 38 Bürgerinnen und Bürger, darunter auch einige Stadträte, die am 01.07.1997 auf Initiative von Stadtrat Michael Hefele den „Förderverein Mittlere Mühle Bobingen e. V." gründeten. Der Verein legte, aufbauend auf einem Vorschlag dieses Stadtrates, schon am 04.11.1997 der Stadt ein „Konzept zur Sanierung und künftigen Nutzung der Mittleren Mühle" vor. Das Sanierungskonzept sah dabei vor, die Stadt bei der Sanierung der Mittleren Mühle und deren Finanzierung vor allem durch
- Eigenleistungen seiner Mitglieder und Eigenmittel des Vereins,
- Koordinierung des Einsatzes von Eigenleistungen und Eigenmitteln möglichst vieler örtlicher Vereine und Organisationen sowie
- Werbung und Koordinierung von Sponsoringleistungen örtlicher und überörtlicher Firmen
zu unterstützen und mit dem Erhalt des Mühlengebäudes und dessen Mühleneinrichtung für die Nachwelt ein Gemeinschaftswerk zu schaffen, das den künftigen Generationen die Möglichkeit geben sollte, Erfahrungen mit diesem wichtigen Teil der Ortsgeschichte zu machen.
Das Nutzungskonzept stellte darauf ab, die Mittlere Mühle zur Förderung dieser Heimatgeschichte mit „Leben" zu erfüllen und unter dem Motto „Leben am Wasser" möglichst vielen örtlichen Vereinen, Organisationen und Schulen ein Forum zu bieten, um durch Ausstellungen, Veranstaltungen, Vorträge, Kurse, künstlerischen Darbietungen usw. zu diesem Ziel beizutragen.
Sechs Jahre nach dem Erwerb des Mühlengebäudes überzeugte dieses Konzept schließlich auch den Stadtrat, der darin auch die Chance sah, ein Gemeinschaftswerk im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt schon konkret beabsichtigten „Lokalen Agenda 21" zu schaffen. Er beschloss deshalb einstimmig, auf der Grundlage dieses Konzepts die Mühlensanierung zu planen und gemeinsam mit dem Förderverein einen Finanzierungsvorschlag zu erarbeiten.
Die Sanierungsplanung
Dieser „Agenda-Gedanke" prägte in der Folge auch bereits das Planungsstadium. Planung und Kostenschätzung wurde unentgeltlich von örtlichen Architekten übernommen. In einem vom Förderverein ins Leben berufenen Arbeitskreis aus Vertretern des Stadtrates, örtlichen Planern, der Stadtverwaltung sowie des Fördervereins selbst, wurde ausgelotet, welcher Teil der auf rd. 750.000 Euro geschätzten Sanierungskosten durch Eigenleistungen der örtlichen Vereine, Sponsoringleistungen von Firmen sowie Spenden aufgebracht werden könnte. Ergebnis war ein ehrgeiziges, gleichermaßen aber auch realistisches Ziel von rd. 50 % der Gesamtkosten. Dies bedeutete gleichzeitig, dass von der Stadt nur rund die Hälfte der Kosten aufzubringen waren.
Davon zeigte sich auch der Stadtrat beeindruckt, der am 29.09.1998 einstimmig beschloss, auf dieser Grundlage die Mittlere Mühle zu sanieren und mit den Sanierungsarbeiten zu beginnen.
Wasserkraft
Gegenstand der Überlegungen zur Mühlensanierung war auch die Zukunft der Wasserkraftanlage. Vorangegangen waren wirtschaftliche Berechnungen, die im Ergebnis auswiesen, dass sich ein Betrieb in Eigenregie wegen der hohen Kosten für die Wiederinstandsetzung der seit 1970. stillgelegten Turbine nicht rechnet. Es wurde deshalb entschieden, den Betrieb der Wasserkraftanlage im Erbbaurecht an einen privaten Betreiber zu vergeben. Seit 1999 ist die Wasserkraftanlage wieder in Betrieb und speist den erzeugten Strom gegen Vergütung in das öffentliche Netz ein. Der Erlös aus der Vergabe der Wasserkraft von 26.000 Euro wurde für die Mühlensanierung verwendet.
Der Sanierungsablauf
Diese Sanierungsarbeiten wurden fachkundig vom Stadtbauamt geleitet und durchgeführt. Dem Förderverein oblag es, das Stadtbauamt bei dieser Arbeit zu unterstützen und für das Projekt
- ehrenamtliche Helfer bei den interessierten örtlichen Vereinen zu werben,
- den Arbeitseinsatz dieser Helfer in Zusammenarbeit mit dem Stadtbauamt zu koordinieren und
- Gespräche mit Firmen zu führen, um Sponsoringleistungen oder Sachspenden zu erreichen.
Von Anfang an dabei war auch der städt. Bauhof, auf dessen Leiter Herbert Bachmann und dessen Stellvertreter Anton Mayr die Aufgabe zukam, den Arbeitseinsatz der vielen Helfer, vorwiegend aus den Reihen des Heimatvereins d´Hochsträßler, zu steuern. Der Bauhof legte natürlich auch bei den Sanierungsarbeiten selbst mit Hand an, soweit die Erledigung der Bauhofaufgaben dies zeitlich zuließ.
Insbesondere die Steuerung der ehrenamtlichen Helfer stellte sich schon bald als äußerst schwierig heraus, galt es doch, auf die unterschiedlichsten zeitlichen Bedürfnisse und beruflichen Qualifikationen dieser Helfer Rücksicht zu nehmen und sie in Einklang mit einem kontinuierlichen Baufortschritt zu bringen. In dieser problematischen Situation konnte schließlich Herr Egon Schwarz vom Heimatverein d´Hochsträßler als „Polier" der ehrenamtlichen Helfer gewonnen werden. Er übernahm fortan die „Steuerung" dieser Helfer, was sich letztlich als Glücksfall für den weiteren Sanierungsverlauf erweisen sollte.
Ebenfalls als ausgesprochen vorteilhaft wirkte sich auch der Umstand aus, dass dem Vorstand des Fördervereins drei Mitarbeiter der Stadtverwaltung (Norbert Pawlik-Gebauer, Reinhard Lenski und Werner Reiser) angehörten, die als Bindeglied zwischen der Stadt als Bauherr und dem Förderverein fungierten und so zu einer reibungslosen Zusammenarbeit beitragen konnten. Ein Umstand, der schon nach kurzer Zeit auch in der Politik auf breiter Basis zu einer optimistischen Einstellung zum Sanierungserfolg führte.
Als äußerst erfolgreich für den Sanierungsverlauf stellte sich auch die schon bald getroffene Maßnahme heraus, regelmäßig, meist im zweiwöchigen Turnus, sogenannte „Jour-Fix-Be-sprechungen" zwischen dem Stadtbauamt, der Bauhofleitung, dem „Polier" der Helfer sowie Vertretern des Fördervereins abzuhalten, in denen der Bauablauf abgestimmt und die Weichen für die jeweils anstehenden Bauarbeiten gestellt wurden.
Als Musterbeispiel ehrenamtlichen Engagements muss die Ausführung des Elektroprojekts angesehen werden, für das die Kolpingfamilie Bobingen verantwortlich zeichnet. Angeführt vom langjährigen Leiter Jürgen Bacher und einigen Helfern sowie unterstützt von Herrn Herrmann Mehr und Herrn Leonhard Hitzler, allesamt in ihren Berufen Elektromeister, wurden die Elektroarbeiten vollständig in beeindruckender, ehrenamtlicher Arbeit in rd. 1.300 Arbeitsstunden durchgeführt.
Einen hohen Stellenwert nahm auch die Förderung des Projekts durch das Arbeitsamt Augsburg im Rahmen einer AB-Maßnahme mit 89.000 Euro ein. Insbesondere in der arbeitsintensiven Rohbauphase war es einfach nicht machbar, alle in Eigenleistung geplanten Arbeiten mit den ehrenamtlichen Helfern zeitlich ohne Nachteile für den Sanierungsablauf durchzuführen. Hier schlossen zwei ABM-Mitarbeiter über zwei Jahre hinweg diese Lücke und trugen so nicht unerheblich zum Gelingen des Projekts bei.
Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Unterstützung des Mühlenprojekts durch den Verein „Brücke e. V. Augsburg", der sich um die Ableistung von gemeinnützigen Hilfsdiensten von straffällig gewordenen Jugendlichen kümmert. Im Laufe der Sanierungsarbeiten haben immerhin 55 Jugendliche insgesamt 1.700 Stunden für Hilfsdienste in der Mühle abgeleistet und so, zumindest unterstützend, ebenfalls einen Beitrag für den erfolgreichen Verlauf der Sanierungsmaßnahme geleistet.
Selbst die Dr.-Jaufmann-Volksschule (Hauptschule) Bobingen begeisterte sich für die Mühle. In nimmermüden Reinigungseinsätzen waren sich die Schülerinnen und Schüler der Praxisklasse dieser Schule nicht zu schade, die Mühleneinrichtung nach Abzug der Handwerker wieder auf Hochglanz zu bringen.
Herausragendes Kernelement des Gemeinschaftsprojekts war aber das Engagement der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer aus den örtlichen Vereinen. Das Hauptkontingent dieser Helfer rekrutierte sich dabei aus dem Heimatverein d'Hochsträßler, der damit den seinerzeitigen Forderungen zum Erhalt der Mühle und der Ankündigung der Unterstützung des Sanierungsprojekts auch Taten folgen ließ. Zusammen mit der Arbeit des Fördervereins und anderer Vereine summierte sich dieser Einsatz der „Hochsträßler" zu einer stolzen Bilanz von rund 11.000 Arbeitsstunden und damit zu einem in der jüngeren Geschichte der Stadt beispiellosen ehrenamtlichen Engagement. Besondere Anerkennung verdienen dabei die regelmäßig tätigen Senioren unter diesen Helfern, die schon bald unter dem Namen "Rentnerband" unter den Beteiligten in aller Munde waren.
Darüber hinaus wurden die "Hochsträßler" auch beim Spendenaufkommen ihrer Verantwortung für das Projekt gerecht. Mit rund 23.000 Euro des insg. erzielten Betrages von 32.000 Euro entfiel der Hauptanteil dieser Barspenden auf diesen Verein.
Daneben trugen auch zahlreiche, vorwiegend örtliche Firmen über beachtliche Sponsoringleistungen und Sachspenden zur Finanzierung des Vorhabens bei und stellten so ihre Anerkennung für dieses örtliche Gemeinschaftsprojekt unter Beweis, allen voran die örtlichen Architektur- und Ingenieurbüros.
Fazit
Das bereits erwähnte ehrgeizige Ziel bei der Sanierungsplanung, die Stadt nur mit 50 % der Sanierungskosten zu belasten, war ein entscheidendes Kriterium dafür, dass die Politik letztlich einmütig "grünes Licht" für das Projekt gab. Es kann als Erfolg bezeichnet werden, dass dieses Ziel auch eingehalten werden konnte. Mehr noch: Bei Abrechnungskosten von rd. 950.000 Euro liegt die Haushaltsbelastung der Stadt von 415.000 Euro sogar noch unter diesem Anteil. Die Finanzierung der Differenz erfolgte durch die genannten Eigenleistungen der örtlichen Vereine, Sponsoringleistungen und Sachspenden örtlicher Firmen, Barspenden, Erbbaurechtserlös, die ABM-Förderung des Arbeitsamtes sowie Bauhofleistungen. Durch diese breite Finanzierungsbasis fiel es auch nicht ins Gewicht, dass der Landkreis Augsburg sowie der Bezirk Schwaben Förderungen aufgrund der fehlenden Denkmaleigenschaft der Mittleren Mühle nicht zusagen konnten. Die höheren Gesamtkosten sind darauf zurückzuführen, dass die Sanierung des Dachstuhles aufgrund des angegriffenen Dachgebälks doch einen höheren Kostenaufwand verursachte und manche der in Eigenleistung geplanten Arbeiten einen höheren Zeitaufwand erforderten als ursprünglich angenommen und kalkuliert. Aus der Abwicklung der Sanierungsmaßnahme über einen hohen Eigenleistungsanteil und dem darauf basierenden Mehraufwand für die Abstimmung und Koordinierung der an den Arbeiten beteiligten Personen, Firmen und Vereinen resultiert auch die lange Sanierungszeit von fast 10 Jahren. Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Mittlere Mühle mit relativ bescheidenen öffentlichen Mitteln saniert wurde, nun der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden kann und die örtliche Gemeinschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, wie verantwortlich und effizient bei entsprechendem Engagement mit Steuergeldern umgegangen werden kann.
Es bleibt abschließend zu hoffen, dass sich die örtliche Gemeinschaft bei der Nutzung der Mittleren Mühle nach dem Nutzungskonzept vom gleichen "Wir-Gefühl" leiten lässt und die Mittlere Mühle so auch in dieser Hinsicht zu einen Musterbeispiel für "gelebte" Agenda 21 wird.